S chleimer sind in menschlichen Gesellschaften ja eher wenig beliebt. Zu durchschaubar ist diese Masche, anderen immer das zu sagen, was sie hören wollen. Doch im Schneckenreich sind Schleimer vermutlich höchst angesehen. Das legt eine Studie von Forscher aus Großbritannien nahe. Das Team um Dave Hodgson von der University of Exeter war allerdings weniger an dem Sozialgefüge der Weichtiere interessiert, als an ihrer Mobilität.
In England findet die Weltmeisterschaft im Schneckenrennen statt. Die World Snail Racing Championships stehen bei den Briten hoch im Kurs. Denn auf die Schnecken darf gewettet werden.
Um voran zu kommen, sondern Schnecken aus ihrem Muskelfuß Schleim ab. Er funktioniert als schützendes Gleitmittel, mit dessen Hilfe sie relativ schnell auch über trockene Sandwege oder Asphaltstraßen hinweg kommen. Um herauszufinden, wie weit sich Schnecken innerhalb von 24 Stunden fortbewegen können, markierten Hodgson und seine Kollegen Versuchsschnecken mit farbigen Leuchtdioden. Sie setzten sie in einen Garten aus und filmten die leuchtende Tiere.
Danach konnten sie den Weg der Schnecken nachvollziehen und ihren Bewegungsradius bestimmen. Innerhalb von 24 Stunden legten die Schnecken im Schnitt rund 25 Meter zurück – genug, um sich einmal quer durch einen Gemüsegarten zu fressen. Aber auch genug, um langsam die Welt außerhalb des Heimat-Gemüsegartens zu erobern.
„Wir wissen, dass Schnecken etwa 40 Prozent ihrer Energie darauf verwenden, Schleim zu produzieren“, erklärt der Hodgson. Hätten sie aber die Gelegenheit, auf der Schleimspur anderer Schnecken zu gleiten, so kämen sie mit weniger Energieaufwand schneller weiter. Je mehr Schleimspuren sich im Garten finden, umso zügiger kommen die Schnecken voran.
Natürlich ist die Energiebilanz der Schleimer nicht der Schwerpunkt der Schneckenforschung. Vielmehr interessieren sich die Tiermediziner beispielsweise dafür, ob von den Schnecken möglicherweise eine Gefahr ausgeht, die nicht nur Salatblätter betrifft.
Seit Jahren ist bekannt, dass die Weichtiere als Zwischenwirte für Lungenwürmer fungieren. Kommt ein Hund angelaufen und frisst eine befallene Schnecke, so infiziert er sich mit den Würmern. Für den Hund kann das zu einer schweren Erkrankung werden, wenn er nicht rechtzeitig entwurmt wird.
In England, das vor einigen Jahrzehnten noch frei von Lungenwürmern war, hat sich der Parasit dank der Schnecken nun weit nach Norden verbreitet – wahrscheinlich wird er bald auch in Schottland ankommen. Forscher des Royal Veterinary College in London warnen vor einer Ausbreitung der Würmer. Auch in Süd- und Mitteldeutschland sind Hunde-Lungenwürmer bereits weit verbreitet.
Gemüsegärtner aber wissen, dass gegen Schnecken so gut wie kein Kraut gewachsen ist – und so bleibt Hundebesitzern nur, regelmäßig eine Wurmkur durchzuführen. Alle andere können über die Vor- und Nachteile von Schleimspuren abseits der Gärten nachdenken.
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